Im Angesicht der sich anbahnenden Klimakatastrophe empfinden wir viele Emotionen. Wir haben mit Psychologists for Future Austria darüber gesprochen, welche Rolle Trauer dabei spielt.
– von Benjamin Palme
Benjamin: Was macht ihr bei Psychologists for Future denn genau?
Kacper: Als Teil des For-Future-Bündnisses versuchen wir das Thema Klimakrise in unserem Fachgebiet weiterzubringen. Unsere Arbeit umfasst zwei Bereiche: Zum einen unterstützen wir Aktivistis durch kostenlose Beratungsgespräche, Workshops und Beratungsgespräche. Für letztere stellen wir auch eine eigene Beratungs-E-Mail zur Verfügung. Zum anderen informieren wir. Wir fragen uns: »Was kann die Psychologie als Wissenschaft zum Thema Klimakrise beitragen?« Da geht es zum Beispiel darum, bestimmte Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Klimakrise zu erklären. So versuchen wir in Workshops, Interviews und Artikeln mit psychologischem Wissen den Kampf gegen die Klimakrise zu unterstützen.
Benjamin: Bist du traurig angesichts der Klimakrise?
Kacper: Auf jeden Fall. Ich wäre nicht aktivistisch tätig, wenn mir die Klimakrise gleichgültig wäre. Das Thema Klimakrise ist ein sehr emotionales. Ich denke, dass Menschen jedoch eine Mischung aus unterschiedlichen Emotionen angesichts der Klimakrise empfinden. Deswegen sprechen wir auch mehr von „Klima Emotionen”. So würde ich sagen, dass ich trauere. Aber da sind auch Wut, Angst und etwas Hoffnung.
Benjamin: Was ist das Besondere an Trauer im Klima-Kontext?
Kacper: Es gibt den Begriff »ecological grief«; der bezeichnet Trauer, die man empfindet, wenn man zum Beispiel in einem Artikel liest, dass es einen bestimmten Waldbrand gab, oder wenn man von neueren Zahlen aus der Wissenschaft hört, die einen nicht optimistisch stimmen. Ein spannender Aspekt speziell bei Klima-Trauer ist die Zeitlichkeit. Wir wissen nicht, wie es in 20, 30, 40 Jahren aussieht. So wird betrauert, dass die eigenen Kinder vielleicht nicht die gleiche Erfahrung machen können wie man selbst. Bestimmte Tierarten sind dann vielleicht ausgestorben. Das ist die Trauer um die verlorene Zukunft. Ich glaube, dass diese Art von Trauer besonders schwierig für eine Person ist, weil sie eben nicht an ein bestimmtes Ereignis gebunden ist. Wenn geliebte Menschen sterben oder wir schlechte Nachrichten bekommen, ist Trauer klassischerweise an ein Ereignis gebunden. Bei der Trauerbewältigung ist es wichtig, dass man versucht, mit diesem Ereignis umzugehen. Das ist ein langer Prozess, mit dem man am Ende versucht, einen Umgang zu finden und quasi mit dem Trauerprozess abzuschließen. Ich glaube, das Schwierige bei dieser zukunftsorientierten Klima-Trauer oder Angst ist, dass dieses Ereignis eben nicht stattfindet oder noch nicht stattgefunden hat. Die Trauer entflammt immer wieder, weil man wieder die nächste Nachricht hört. So kommt man aus dem Trauerprozess nie heraus und kann ihn nicht abschließen.
Benjamin: Muss man Klima-Trauer therapieren?
Kacper: Der emotionale Umgang mit der Klimakrise ist normal und eine angemessene Reaktion. Das ist nichts Pathologisches, nichts Krankhaftes. Es kann aber auch sein, dass diese Trauer einen überwältigt, man seinen Alltag nicht mehr gestalten kann, einen starken Leidensdruck hat und da nicht mehr rauskommt. Dann sollte man sich Hilfe holen.
Benjamin: Welche Rolle spielt Trauer im Klimaprotest?
Kacper: Warum haben wir Menschen eigentlich Emotionen? Die Antwort darauf ist, dass Emotionen eine Art Richtungsmarkierung sind. Der Körper sagt zum Beispiel: »Okay, hier stimmt was nicht.« Das ist eine starke Signalwirkung. Emotionen darf man nicht zu negativ sehen, weil diese meist eine Motivation für uns sind. Sie zeigen uns, dass uns etwas wichtig ist. So werden Menschen politisch aktiv oder handeln. Als Metapher kann man Klima-Trauer, -Wut oder -Angst als ein Feuer ansehen. Während die Flamme uns antreibt und uns Motivation gibt, muss man aufpassen, dass das Feuer nicht zu groß wird und man sich selbst verbrennt. Ich habe öfters mitbekommen, dass junge Menschen sich anfangs zu sehr übernehmen. Was dann passiert ist, dass sie ein halbes Jahr sehr aktiv engagiert sind und dann komplett raus und ausgebrannt sind. Für den nachhaltigen Aktivismus ist es wichtig, dass man für sich selbst ein gutes Mittelmaß findet. Zum Beispiel indem man sich Strategien überlegt, um mit unangenehmen Emotionen umzugehen: Mal einen Tag für sich nehmen und sich nicht mit dem Thema beschäftigen. Oder bei einer Person, der man vertraut, über die eigenen Emotionen zu sprechen. Das Fachwort hierzu lautet „Coping“. Es beschreibt den Prozess, einen guten Umgang mit einem für sich nicht immer angenehmen Thema zu finden. Auf unserer Website findet man diesbezüglich einiges an Material.
Zum Weiterlesen:
Psychologists for Future Website – Auf der Homepage findest du weitere Infos: www.psychologistsforfuture.org
Über Klima sprechen. Das Handbuch (2022) – Hier finden sich Ressourcen zu Klimakommunikation. Im 20. Kapitel geht es um Trauer: www.klimakommunikation.klimafakten.de