Feministische Praxis (Ausgabe #2)

Weil man Feminismus nicht nur denken sondern auch umsetzen muss, haben wir drei feministische Gruppen mit unterschiedlichen Schwerpunkten gefragt, warum sie sich organisieren und was sie so treiben.

– by UNTER PALMEN

Antifaschistischer Frauenblock Leipzig

»Wer seid ihr? Was macht ihr?

Wir verstehen uns als eine feministische, antideutsche Frauengruppe aus Leipzig. Als Zusammenhang diskutieren wir viel und schreiben Texte zu Themen, die uns wichtig sind. Die veröffentlichen wir in Broschüren oder linken Zeitschriften, sowie auf unserer Homepage. Wir werden oft in andere Städte eingeladen, um dort Vorträge und Workshops anzubieten. Wir beschäftigen uns mit vielen unterschiedlichen Themen, wie: dem Nationalsozialismus und seinen Kontinuitäten bis heute, Rassismus, Antisemitismus, Religionskritik und insbesondere am Islam, feministische Theorie und feministische Sprachkritik. Die Themen suchen wir uns selber aus, wir wollen nicht nur auf politisches Tagesgeschehen reagieren, sondern eigene Schwerpunkte setzen.
Wir beteiligen uns aber auch an Demonstrationen, wie zum Beispiel gegen den Schweigemarsch in Annaberg-Buchholz, der von fundamentalistischen Christ/innen organisiert wird, die sich gegen das Recht auf Abtreibung aussprechen. Einmal im Jahr veranstalten wir außerdem einen riesigen Brunch als Kontrastprogramm zum sogenannten Herrentag. Der Erlös wird dann an Initiativen gespendet, die wir wichtig finden.

»Was heißt feministische Praxis für euch?

Mit Praxis ist das so eine Sache, wir sehen Theorie und Praxis nicht getrennt an. Wir finden, dass Texte schreiben auch eine Art von Praxis ist. Im Grunde bedeutet Feminismus für uns, bei jedem Thema eine feministische Perspektive mitzudenken.
Das kann ganz einfach sein: Wenn wir eine Veranstaltungsreihe organisieren, heißt das für uns zum Beispiel, dass wir auf das Geschlechterverhältnis achten. Dasselbe gilt auch für Demonstrationen und Ähnliches. Wir finden es nicht nur notwendig, individuelle Geschlechterrollen zu hinterfragen, sondern auch, gesamtgesellschaftliche feministische Kritik zu formulieren. Insbesondere sind uns dabei feministisch-materialistische Positionen wichtig. Wir gucken also mit einem feministischen Blick auf alles, was uns stört.

»Warum habt ihr euch so organisiert, wie ihr es jetzt seid?

Unsere Gruppe gibt es ja schon sehr lange, dieses Jahr feiern wir unseren 20. Geburtstag. Gegründet hat sich unsere Gruppe aufgrund der Erfahrung mit männlicher Dominanz auf Demos und in Antifa-Zusammenhängen. Damals haben sich die Frauen gemeinsam organisiert, um dem etwas entgegenzusetzen. Sie haben angefangen, sich Sachen zuzutrauen, die sie sich vorher nicht zugetraut haben, wie zum Beispiel in die erste Reihe bei einer Demo zu gehen oder einen Vortrag vor einem großen Publikum zu halten. Das ist immer noch so. Auch heute ist es noch wichtig, sich den Raum zu nehmen und eigene Politik zu machen!

Weitere Infos über die Aktivitäten des afbl findet ihr auf ihrer Webseite afbl.org!

FEMINISTISCHES STREETART KOLLEKTIV: WIEN

»Wer seid ihr? Was macht ihr?

Wir sind das Feministische Streetart Kollektiv: Wien – eine linke, queer-feministische Gruppe. Wir arbeiten mit Streetart und Graffiti im öffentlichen Raum und versuchen damit, einerseits auf bestehende Gesellschaftsverhältnisse aufmerksam zu machen und diese anzugreifen sowie andererseits uns diesen Raum anzueignen. Außerdem organisieren wir Workshops, in denen wir mit Streetarttechniken, wie Stencils oder Graffitis, arbeiten. Auch der Austausch mit anderen feministischen Gruppen ist uns wichtig und wir haben in der Vergangenheit auch einige Demonstrationen, Straßenfeste und andere linke Veranstaltungen (mit-)gestaltet.

»Was heißt feministische Praxis für euch?

Feministische Praxis kann die unterschiedlichsten Formen haben. Wichtig ist uns allerdings, dass wir Konzepte wie die Heteronormativität und Geschlechterbinarität verwerfen. Für uns ist Geschlecht gesellschaftlich konstruiert und das sollte sich auch in der feministischen Praxis zeigen. Außerdem ist uns ein intersektionales Verständnis von Geschlecht wichtig.
Feminismus funktioniert nicht ohne dem Mitdenken von anderen gesellschaftlichen Machtverhältnissen! Uns ist es deshalb auch wichtig, eigene Verstrickungen in den bestehenden Herrschafts- und Machtverhältnissen zu erkennen und zu reflektieren.

»Warum habt ihr euch so organisiert, wie ihr es jetzt seid?

Unser Kollektiv ist offen für Frauen, Lesben, intersex*, nicht-binäre und trans Personen (FLI*NT). Der öffentliche Raum sowie die Graffti-Szene, welche sich in diesem bewegt, sind männlich dominiert. Wir versuchen, diese Verhältnisse zu kritisieren, uns den öffentlichen Raum anzueignen und FLI*NT-Personen in diesem sichtbar zu machen. Mit unseren Workshops wollen wir Andere ermutigen, sich ebenfalls den öffentlichen Raum zu nehmen.

Weitere Infos über die Aktivitäten des Feministischen Streetart Kollektivs findet ihr auf femstreetartwien.wordpress.com!

FLIT*Z SALZBURG

»Wer seid ihr? Was macht ihr?

Das FLIT*Z ist eine Gruppe, die momentan aus Cis[F]rauen und Transpersonen besteht, zu der aber auch immer wieder Personen dazustoßen. Cis-frauen sind Leute, zu denen bei der Geburt gesagt wurde, sie wären weiblich und die sich jetzt auch selbst so sehen. [T]ranspersonen sind alle Leute, die mit dem Geschlecht, das ihnen zugeschrieben wurde, nicht einverstanden sind. Einige von uns sind [L]esbisch, und/oder queer[*] beziehungsweise pansexuell, das heißt, sie können sich von Leuten jeden Geschlechts angezogen fühlen. Das I steht für [I]ntergeschlechtliche Personen, das sind Leute, die von den Ärzt_innen weder als Männer noch als Frauen eingestuft wurden.
Wir haben uns zusammengetan, um für uns und andere F_L_I_T Personen einen Raum zu schaffen, in dem wir uns treffen können, zum Handwerken, Feiern, Organisieren, politisch aktiv Sein und allem, was Leuten sonst noch einfällt.

»Was heißt feministische Praxis für euch?

Feministische Praxis ist für uns der Kampf gegen Unterdrückung in jeder Form. Einerseits wehren wir uns im Alltag gegen Sexismus und Homofeindlichkeit, und manche von uns auch gegen Transfeindlichkeit und Behindertenfeindlichkeit. Wir kämpfen aber auch gegen Unterdrückungsformen, die uns nicht direkt betreffen.
Außerdem organisieren wir Demos, Kundgebungen, Konzerte, Lesungen und Diskussionsveranstaltungen. Feminismus muss sich auch immer weiter entwickeln und offen sein für die Erfahrungen und Gedanken aller Personen, die von Unterdrückung betroffen sind.

»Warum habt ihr euch so organisiert, wie ihr es jetzt seid?

Ein flit*z ist notwendig, weil ein Raum, der immer zur Verfügung steht, feministische Arbeit erleichtert. Ein Raum, den wir gemeinsam verwalten und wo alle zusammen bestimmen, was darin geschieht. Ein Raum, in dem wir Dinge ausprobieren können, zu denen F_L_I_T Personen oft der Zugang erschwert wird. Und das ohne mackrige Cismänner, die sich einmischen und glauben, alles besser zu wissen. Aber obwohl wir ein flit*z wollen, kämpfen wir langfristig für eine Welt, in der Geschlechter nicht mehr wichtig sind. In der auch sonst keine Personen mehr unterdrückt werden. Kurz: Für eine Welt, in der es kein flit*z mehr braucht!

Weitere Infos über die Aktivitäten des FLIT*Z findet ihr auf flitzsalzburg.wordpress.com!