Was bedeutet es, zuhause zu sein? Warum ist es oft so schwer, ein Zuhause zu finden und welche politische Perspektive eröffnet der Wunsch nach Zuhausesein? Einige Gedanken.
– by Levin Weiher & Judith Godiva
Zuhause – ein Ort, an dem man sich wohl und aufgehoben fühlt. Ein Ort, an dem man nicht bloß sein kann, sondern auch sein will. Hier wie dort gleichzeitig zuhause zu sein, ist genauso möglich, wie nirgends. Mancherorts fühlt man sich gleich zuhause, anderswo nie. Weit verbreitet ist die Erfahrung, jahrelang am selben Fleck zu leben, ohne jemals wirklich anzukommen. Wer in Österreich von Zuhause redet, landet nicht selten bei einem Gespräch über Heimat – kein Wunder, in einem Land voll Folklore und nationalistischer Erzählungen. Unter Heimatfreund_innen wird die Verbundenheit mit einem Ort meist nicht als individuelle Entscheidung verstanden, sondern über Herkunft bestimmt. Sie verorten Menschen anhand ihrer familiären, kulturellen oder ethnischen Wurzeln. Kern dieser Vorstellung ist die vermeintliche Zugehörigkeit aller zu einer nicht verhandelbaren Gemeinschaft. Im Sinne der Selbstbestimmung lässt sich solch einer Heimattümelei nicht nur ihre Realitätsferne, sondern auch der Wunsch nach Heimatlosigkeit entgegenhalten.
Einfach Zuhause sein?
Die Chance auf ein Zuhause ist keine Selbstverständlichkeit. Die Vermarktung menschlicher Bedürfnisse steht ihr genauso im Weg, wie etwa frauenfeindliche Gewalt oder rassistische Ausschlüsse. Für einen Arbeiter, der Angst hat, seine Miete bald nicht mehr zahlen zu können, bleibt Zuhause eine unsichere Sache. Eine junge Frau*, die aufgrund ihrer Herkunft als Bürgerin zweiter Klasse behandelt wird, hat es schwer, mit dem Zuhausesein. Ob zuhause sein möglich ist und wenn ja, mit wie vielen Widersprüchen es behaftet bleibt, ist eine politische Frage. Wer wo zuhause sein kann, hängt mit der Gestaltung unserer Gesellschaft zusammen und wird ständig neu ausgestritten.
Sehnsuchtsort Zuhause
Gleichzeitig steckt in der Suche nach einem Zuhause häufig ein Moment des Rückzugs. Im Zuhause hofft man, den Zumutungen unserer Gesellschaft zumindest ein Stück weit zu entkommen. Das Zuhause als Sehnsuchtsort bildet einen Gegenpol zum, durch Konkurrenz und Ausgrenzung geprägten, Alltag. Diese Flucht ins Zuhause macht vor allem eins deutlich: irgendetwas stimmt nicht. Eine Realität, vor der man sich verstecken muss, kann nicht besonders rosig sein.
Den Tatsachen ins Auge zu sehen, ermöglicht den Wunsch nach einem Zuhause als kollektives Begehren zu formulieren. An Stelle des Rückzugs ins Private tritt das Wissen um die Unsicherheit und Widersprüchlichkeit eines Zuhauses in der Gegenwart. An Stelle der vereinzelten Suche nach einem sicheren Nest tritt das Streben nach einem Ort, der Wohlbefinden auch ohne Scheuklappen zulässt.