Feminist_innen sind Männerhasser_innen und verderben den Spaß am Sex. Margarete Stokowski räumt provokant mit diesen und anderen Vorurteilen auf und ermöglicht einen neuen Blick auf scheinbar natürliche Geschlechterrollen.
– by Liv Nebelle und Marek Szepansky
Das 2016 erschienene Buch von Margarete Stokowski Untenrum Frei ist weder Roman noch Sachbuch. Vielmehr ist es eine Sammlung von Erfahrungen aus der Kindheit bis hin zum frühen Erwachsenenalter einer jungen Frau*. Die persönlichen Erzählungen lockern das Lesen auf unterhaltsame Weise auf und vermitteln zugleich feministische Ansichten.
Feminismus? Braucht es noch!
Die zentrale Überlegung des Buches: Wir können untenrum nicht frei sein, solange wir obenrum nicht frei sind. Aber was heißt das genau? Obenrum frei zu sein bedeutet, die als natürlich verstandenen Vorstellungen von Geschlecht und Sexualität kritisch zu hinterfragen. Erst dann können wir auch in unserer Sexualität, also untenrum, wirklich befreit sein. Untenrum Frei ist eine erste Anregung, sich im Kopf frei zu machen. Die Autorin beschreibt die Veränderung der eigenen Körperwahrnehmung während der Pubertät, das Scheitern des Aufklärungsunterrichts in der Schule und die Sexualisierung des weiblichen Körpers. Sie zeigt auf, wie Anspielungen auf Sex überall sichtbar sind, zum Beispiel auf Werbeplakaten. Dadurch entstehen Vorstellungen von Sex und Sexualität, die jedoch nie wirklich eingelöst werden und somit eine Illusion bleiben. Die meisten Menschen haben aber nie gelernt, mit dieser Tatsache umzugehen. Die im Buch besprochenen Ungerechtigkeiten sind nicht für jede und jeden sicht- und spürbar. Dennoch betreffen sie uns alle.
Die „Poesie des Fuck you“
Zuletzt lässt eine_n das Buch aber nicht nur mit vielen ernüchternden Erkenntnissen zurück. Margarete Stokowski schlägt eine Gegenstrategie zu all den alltäglichen, beschissenen Situationen vor: Eine „Poesie des Fuck you“. Lasst uns wütend und gelassen sein! Beides wann immer wir wollen. Sie ermutigt zur politischen Praxis im Alltäglichen. Das beginnt bereits mit dem Bewusstsein für strukturelle Ungerechtigkeiten und dem tief in unserer Gesellschaft verankerten Patriarchat. In einem weiteren Schritt geht es darum, dass Frauen* ihre Stimme erheben. Dass sie selbst über sich und ihr Leben sprechen und den ihnen zustehenden Raum in der Öffentlichkeit einnehmen. Sie ruft dazu auf, sich nichts gefallen zu lassen.
Lust auf mehr
Margarete Stokowski schreibt leicht verständlich über zentrale feministische Themen. Eine klare Schwäche des Buches: Ausführliche Erläuterungen der jeweiligen Themen kommen fast immer zu kurz, die Einblicke bleiben oberflächlich. Allerdings – und hier liegt die große Stärke – wird ein umfassender Überblick über emanzipatorische Perspektiven gegeben. Die Autorin regt dazu an, über Gleichberechtigung, Machtverhältnisse, die eigene Körperwahrnehmung sowie Sexualität nachzudenken. So macht Untenrum Frei Lust darauf, sich weiter mit feministischen Inhalten auseinanderzusetzen, Zusammenhänge besser zu verstehen und Diskriminierungen zu bekämpfen.
Untenrum frei (2016)
Autorin: Margarete Stokowski
Verlag: Rowohlt
Taschenbuch: 256 Seiten
ISBN 978-3-499-63186-3