Warum Regelschmerzen politisch sind (Ausgabe #8)

Menstruationsschmerzen betreffen sehr viele Menschen. Und doch verhindert jahrhundertealter Sexismus noch immer, dass sie ernst genommen, ärztlich untersucht, erforscht und gelindert werden.

– by Lena Christoph

„Ich glaube, es geht los.“ Als fernes Grollen kündigt er sich an: Ein dumpfer, alles vereinnahmender Schmerz. Mir wird schlecht, meine Sinne überempfindlich, meine Gliedmaßen schwach, mein Kopf benebelt. Und dann bricht er herein. Zwischen erschöpften Tränen, verzweifeltem Auf- und Abgehen, die Wärmflasche fest an meinen Körper gepresst, nehme ich nur noch ihn wahr, den Schmerz. Ich stelle mir eine klaffende Wunde in meinem Unterleib vor. Ohne Schmerztabletten muss ich diesen Tag halb weggetreten und zusammengekauert im Bett verbringen.

Wenn ich mit anderen über Regelschmerzen spreche, sind deren Erfahrungen vielfältig. Manche berichten von wehenartigen Krämpfen, die sich hochsteigern, bis der Körper mit Erbrechen oder Ohnmacht reagiert, andere spüren nur ein leichtes Ziehen im Unterleib, das in den Rücken ausstrahlt. So vielfältig die Erfahrungen sind, so vielfältig die Weisheiten, wie wir mit Regelschmerzen umgehen könnten – das Repertoire reicht von Sport und Mönchspfeffer über die Anti-Baby-Pille bis hin zu: „Mit der ersten Geburt verschwinden die Schmerzen“. Doch fangen wir bei den Ursachen an.

Die Ursachen des Schmerzes

Zunächst einmal wird zwischen primärer und sekundärer Dysmenorrhoe unterschieden. Erste bezeichnet Regelschmerzen, deren Ursachen nicht vollständig geklärt sind, die aber mit der Überproduktion von Prostaglandinen und Leukotrienen (hormonähnliche Substanzen) zusammenhängen dürften. Die sekundäre Dysmenorrhoe wird hingegen durch Erkrankungen verursacht. Die häufigste gynäkologische Krankheit, die starke Schmerzen zur Folge hat, ist Endometriose – eine gutartige Wucherung von Gebärmutterschleimhautgewebe im Bauchraum. Es wird geschätzt, dass 4 bis 30 Prozent der Frauen* von Endometriose betroffen sind. Trotzdem ist die Erkrankung immer noch wenig bekannt und es dauert in Österreich durchschnittlich acht bis neun Jahre vom Zeitpunkt der ersten Symptome bis zur Diagnose. Wie kann das sein?

Bei Ärzt_innen

Ich war in meinem Leben schon bei vielen Gynäkolog_innen und habe über sehr starke Regelschmerzen geklagt, aber keine­_r hat mit mir von sich aus über mögliche Erkrankungen geredet oder mich zu weiteren Untersuchungen geschickt. Ob primäre oder sekundäre Dysmenorrhoe, das Problem fängt für viele menstruierende Menschen bei der Unwissenheit und bei geschlechtsspezifischen Vorurteilen von Ärzt_innen an. Es ist inzwischen bekannt, dass Schmerzen bei Frauen* weniger ernst genommen werden – sie werden als psychosomatisch oder übertrieben und Frauen* als wehleidig und emotional abgetan. Darüber hinaus wissen viele Ärzt_innen selbst nicht genug Bescheid. Trotz jahrelanger Schmerzen habe ich von Endometriose nicht von einer Ärztin, sondern von meiner Schwester und die wiederum aus einem Artikel erfahren. Wenige Betroffene erhalten eine umfassende Aufklärung über mögliche Erkrankungen und Therapieformen. Obwohl Endometriose seit über 150 Jahren medizinisch bekannt ist, ist das Wissen darüber noch sehr beschränkt.

„Das Problem fängt für viele menstruierende Menschen bei der Unwissenheit und bei geschlechterspezifischen Vorurteilen von Ärzt_innen an.“

Vorurteile in der Wissenschaft

Die Geschichte der Anatomie, Biologie und Medizin ist geprägt von der Annahme, dass Frauen* und ihre Körper minderwertig gegenüber Männern* und deren Körpern seien. Von der Antike über die Aufklärung und teilweise bis zum heutigen Tag haben Geschlechterstereotype die Fragen und Untersuchungen und dadurch auch das „Wissen“ über frauenspezifische Krankheiten geleitet. Die Medizin war lange eine Wissenschaft von Männern* für Männer*. Circa 80 Prozent der menstruierenden Menschen sind von Dysmenorrhoe betroffen. Die Hälfte davon leidet jeden Monat darunter, muss Schmerztabletten nehmen und ein Drittel gibt an, dass es während der Periode den Alltag nicht normal bewältigen kann. Diese Zahlen sind hoch, erschreckend niedrig ist hingegen die Anzahl entsprechender medizinischer Studien. Obwohl so viele Frauen* mit Regelschmerzen zu kämpfen haben, gibt es fünfmal so viel Forschung über Erektionsstörungen, die gerade einmal 19% der Männer* betreffen. Bis in die 1990er-Jahre wurden Medikamente noch dazu fast ausschließlich an Männern* getestet – selbst dann, wenn es um frauenspezifische Gesundheitsprobleme ging!

„Die Medizin war lange eine Wissenschaft von Männern* für Männer*.“

Das kann nicht sein!

Obwohl sie so viele Menschen betreffen, werden Regelschmerzen nicht ernst genommen, zu selten abgecheckt, zu wenig erforscht und relevantes Wissen zu wenig verbreitet. Menschen mit starken Beschwerden suchen oft gar nicht erst Hilfe auf, weil solche Schmerzen scheinbar zum Frausein „dazugehören“ und selbst wenn sie es tun, wird diese Mär meistens bestätigt. Dass es in den Apotheken nicht massenhaft von der Krankenkasse bezahlte Medikamente gibt, die direkt für Dysmenorrhoe und damit verbundene Krankheiten entwickelt worden sind, liegt daran, dass Frauen* unter diesen Schmerzen leiden, nicht Männer*. Dass die Schmerzen und Krankheiten, an denen so viele Frauen* leiden, so wenig Aufmerksamkeit bekommen, ist politisch – es ist Diskriminierung.

Zum Weiterlesen:

„Keine Heulsusen“: Ein Artikel zu Endometriose, erschienen in der feministischen Zeitschrift an.schläge.

Hilfreiche Informationen zum Thema Endometriose bietet die österreichische Endometriose-Vereinigung (EVA).